Am Mittwoch, den 13. März 2024, luden Schülerinnen und Schüler des Abiturjahrgangs, die in diesem Jahr gemeinsam mit Frau Römer und Frau van Ophuysen an der Studienfahrt nach Polen teilgenommen haben, zu einer Abendveranstaltung anlässlich ihrer Eindrücke im Rahmen ihres Besuchs der Gedenkstätten Auschwitz und Krakau ein.
Die Schülerinnen und Schüler präsentierten auf musikalische, literarische und gestalterische Weise die Verarbeitung ihrer Empfindungen und Eindrücke vor Ort, die ihre individuelle Auseinandersetzung mit dem Holocaust widerspiegelte. Durch den Abend führte Amelie, die sich zu Beginn mit dem Zitat von Theodor W. Adorno: „Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch“ auseinandersetzte. Dabei warf sie die Frage auf, ob man überhaupt Beschreibungen für das unbegreifliche Leid und die überwältigende Grausamkeit der Shoah finden könne. Amelie beantwortete diese Frage für sich schließlich damit, dass gerade die Kunst ein Ausdrucksmittel für jegliche Emotionen sei, auch für jene, die man eben nicht in beschreibende, aber eventuell in lyrische Worte fassen könne. Im Anschluss spielten Aaron und Jakob auf Geige und Klavier das Musikstück „Die schönste Zeit des Lebens“; ein Stück, das von KZ-Häftlingen im sogenannten „Männerorchester von Auschwitz“ gespielt wurde. Die beiden Schüler stellten dabei insbesondere den zynischen Kontrast zwischen der fröhlich klingenden Tanzmusik und den unsagbaren Umständen, unter welchen dieses Stück entstand und aufgeführt werden musste, heraus. Wie Jakob den Anwesenden erklärte, geriet das Stück nach der Befreiung des Konzentrationslagers in Vergessenheit und wurde erstmals wieder 2011 von Studenten der University of Michigan intoniert. Nachfolgend gaben Anne und Leopold den Gästen einen Einblick in die Biografie des Auschwitz-Überlebenden Tadeusz Szymański, einer der Mitbegründer der Gedenkstätte Auschwitz sowie der Internationalen Jugendbegegnungsstätte (IJBS) in Oświęcim, unter dessen Namenspatenschaft der Seminarraum der Schülergruppe in der IJBS stand. Anschließend präsentierten Annika W., Ena und Laureen eine, im Stil von Gerhard Richter abstrahierte, Fotografie aus der Gedenkstätte Auschwitz. Die Inspiration für dieses Gemälde sei der Besuch des neueröffneten Museums für Richters Zyklus „Birkenau“ während der Studienfahrt gewesen, der die Schülerinnen nachhaltig berührt und zum Nachdenken angeregt habe. Daraufhin trug Heidi ein von ihr in Oświęcim verfasstes Gedicht vor, in dem sie ihre unmittelbaren Eindrücke des Besuchs der Gedenkstätte aufbereitete. Wie individuell die Zugänge zu einer Auseinandersetzung mit der Shoah sein können, zeigte Idas Beitrag, in dem sie, resultierend aus ihrem großen Interesse am Fach Chemie, über die Mordwaffe Zyklon-B aufklärte. Im Verlauf des Abends erinnerten die Abiturienten immer wieder an die Einzelschicksale derer, die vom NS-Regime ausgelöscht wurden und werden sollten, um deren Leben nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Hierzu gehörten neben Chelsea, die an das Schicksal von Georgy Halpern, der mit neun Jahren in Auschwitz ermordet wurde, erinnerte, Christopher und Philipp, die das Schicksal der jüdischen Kinderschauspielerin Lea Deutsch aufarbeiteten auch Elisabeth und Sanam, die das UNESCO-Projekt des Künstlers Luigi Toscano „Gegen das Vergessen“ vorstellten. Im Zuge dieses Projekts hatten die beiden Schülerinnen Kunstwerke zu Porträts von Holocaust-Überlebenden angefertigt, die sie an diesem Abend präsentierten. Dabei gaben sie die Botschaft Toscanos: „Zeigt Haltung!“ an die Anwesenden weiter. Elijah gab den Gästen anschließend einen Einblick in seine Gedanken zu einem Gemälde des polnischen Malers Jerzy Potrzebowski, in dem dieser nach 1945 seine Erlebnisse als Inhaftierter in Auschwitz verarbeitete und das Teil der Kunstausstellung „Functions and Meaning of the illegal Art Workshop in KL Auschwitz“ war, welche die Schülerinnen und Schüler vor Ort besuchten. Dabei schilderte Elijah nicht nur das bedrückende und berührende Gefühl, welches das Gemälde in ihm auslöse, sondern zog auch eine Verbindung zu dem erlebten Zeitzeuginnengespräch im Museum Galicia in Krakau, das die Schülerinnen und Schüler tief beeindruckte. Drei weitere Gedichte, die sich den Eindrücken des Besuchs der Gedenkstätte Auschwitz widmeten, wurden von Nicole und Jonah verfasst und vorgetragen. Dabei lenkte Jonah die Aufmerksamkeit unter anderem auf den grausamen Zynismus der Täterinnen und Täter, indem er das „verlogene Versprechen und gehässige Gelächter“ der Toraufschrift „Arbeit macht frei“ in einem seiner Gedichte thematisierte, während Nicole in ihrem Gedicht daran erinnerte, dass in Auschwitz auch die „Bedeutung des Menschsein“ vernichtet worden sei. Wie prägend die Studienfahrt für die Schülerinnen und Schüler war und wie unbegreiflich das Ausmaß des Holocaust, verdeutlichte Julius in seinen Begleitworten zur Präsentation einer Auswahl an Fotografien, welche die Abiturienten vor Ort angefertigt hatten.
In seiner Abschlussrede, die vielmehr einen weiterführenden Denk- und Gesprächsanstoß darstellte, widmete sich Sebastian der Frage, was die Schülerinnen und Schüler aus ihrem Besuch der Gedenkstätte gelernt hätten. Dabei zitierte er George Santayana mit den Worten: „Wer sich seiner Geschichte nicht erinnert, ist verdammt, sie zu wiederholen.“ „Wir haben uns erinnert.“, resümierte Sebastian, „Doch können wir jetzt sagen, dass wir unseren Teil damit getan haben?“. Während der Studienfahrt hätten sich die Schülerinnen und Schüler intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, was sie damals getan hätten und welche Schuld auf ihnen laste. Jedoch resultiere laut Sebastian aus der Geschichte keine Schuld, sondern vielmehr eine Pflicht: „Die Pflicht gegenüber der Vergangenheit, sich ihrer zu erinnern, und die Pflicht gegenüber der Zukunft, diese so zu gestalten, dass sich Auschwitz nie wiederhole.“ Angesichts der hohen Umfragewerte einer Partei, deren Jugendorganisation, die „Junge Alternative für Deutschland“, als gesichert rechtsextrem gilt, der Vollinvasion Russlands in der Ukraine sowie der Terroranschläge der Hamas vom 7. Oktober 2023 und dem daraufhin angestiegenen Antisemitismus in Deutschland werde die Dauerhaftigkeit dieser Aufgabe deutlich, die eine klare Haltung und einen aktiven Einsatz von jedem Einzelnen erfordere. Der Auschwitz-Überlebende Primo Levi warnte 1986: „Es ist geschehen, folglich kann es wieder geschehen“. „Die bloße Kenntnis dessen, was geschehen ist, kann die Zukunft jedoch nicht beeinflussen“, gibt Sebastian zu bedenken. Man müsse Lehren aus der Vergangenheit ziehen und nach diesen Lehren handeln, denn nichts zu tun im Angesicht des Unrechts sei definitiv falsch. Das gemeinsame Ziel dieses Handelns sei, dass Auschwitz nie wieder geschehe. Die Wege zu diesem Ziel könnten jedoch so unterschiedlich sein, wie die Beiträge der Schülerinnen und Schüler des heutigen Abends. Diese Wege für uns selbst herauszufinden und sie zu beschreiten, sei die Aufgabe jedes Einzelnen, damit sich zukünftige Generationen nicht der Frage stellen müssten, was sie an unserer Stelle getan hätten. Grundlage dieser individuellen Prozesse sei jedoch nach wie vor der Dialog miteinander. Denn das gemeinsame Erinnern gegen das Vergessen verbindet uns Menschen ebenso, wie unser Menschsein, das, um es mit Nicoles Worten zu sagen, in Auschwitz vernichtet wurde, und das es in der Gegenwart zu schützen und für die Zukunft zu bewahren gilt.
Diesem nachhallenden Programm der Abiturienten schloss sich, Sebastians Appell folgend, ein intensiver Dialog zwischen Schülerinnen und Schülern, Eltern, Lehrkräften sowie weiteren Gästen an.
Ein herzlicher Dank gilt allen, die an diesem Abend mitgewirkt haben, sowie Frau Römer für die Organisation.
OPH