Als „Zweitzeugen“ die Flamme weitergeben: Bestsellerautor Tim Pröse bringt die letzten Stimmen des Widerstandes zum Sprechen
Er hatte sie alle am Mikrofon, die „legendärsten Stars aus Film, Funk und Fernsehen“ von Mario Adorf bis Udo Lindenberg. Sein Lebensthema aber hat Tim Pröse gefunden in den Menschen, die den Mut fanden, „dem Rad in die Speichen zu fallen“ und dem Nationalsozialismus aktiven Widerstand zu leisten. Widerstand, den diese Menschen mit ihrem Leben bezahlten und der ihre Nachkommen biographisch tief prägte, ihnen Haltungen und Verpflichtungen einschrieb. Ihre Geschichten von Würde, Widerstand und Verantwortung sind für Pröse auch nach 80 Jahren erzählenswert, er spürt ihnen in eindringlichen Interviews mit den „Kindern des 20. Juli“ nach und stellt sie bundesweit im Rahmen von Veranstaltungen vor, die weit über das Format konventioneller Lesungen hinausweisen, so auch in der vergangenen Woche am Friedrichsgymnasium, als Pröses Buch „Wir Kinder des 20. Juli“ den Hintergrund bildete für zwei intensive Stunden des Zuhörens und der Diskussion mit den Schülerinnen und Schülern des Jahrgangs 10.
Ausgehend von der Frage „Wie wäre es für euch gewesen vor 80 Jahren?“, die Pröse eindringlich und bedrückend beantwortete, spannte er einen weiten Bogen von den Lebenswegen der Männer und Frauen des Widerstandes, über die Details des missglückten Staatsstreichs des 20. Juli 1944 zu den Lebensgeschichten, Prägungen und Traumata der Kinder und Hinterbliebenen des Kreisauer Kreises, des militärischen Widerstandes und auch der „Weißen Rose“. Dabei und auch in seinem Schreiben, so Pröse, gehe es ihm nicht um Heldenkult, sondern darum, den Haltungen und der Widerständigkeit der Protagonisten „Denkmäler aus Zeilen“ zu setzen. Zeilen und Geschichten, die zum Diskurs anregen und Orientierung geben können. Die aktiv einbezogenen Schüler sollen zu „Zweitzeugen“ der mittlerweile hochbetagten „Töchter und Söhne des Widerstands“ werden, deren Geschichten kennen und teilen: Nicht die Asche bewahren, sondern selbst „Flamme sein“ (Hans Scholl) und diese weitergeben.
Dass dieses Konzept aufging und bei den Schülerinnen und Schülern Denken und Lernen beförderte, zeigte sich im Anschluss an den Vortrag im Gespräch des Autors mit engagiert diskutierenden Schülern, die in die Tiefe fragten – und einzelne Thesen durchaus auch widerständig hinterfragten. Themen wie Heldenkult und Vorbildcharakter der Männer um Stauffenberg, aber auch Fragen von Kontroversität und Emotionalität bei der Erinnerung an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus können eine Brücke in den aktuellen Geschichtsunterricht der Jahrgangsstufe 10 schlagen. Wenn die besondere Veranstaltung vorbei ist, fängt die Arbeit erst an.
Die Veranstaltung wurde in gewohnt reibungsloser Kooperation ermöglicht durch die Vermittlung des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge und finanziert aus Mitteln des Fördervereins des Friedrichsgymnasiums. Ein großer Dank geht an diese Institutionen, die unseren Schülern besondere Formen des Lernens ermöglichen.
KLE