Die Geschichtswerkstatt des Friedrichsgymnasiums erinnert an die jüdische Familie Katzenstein
Am 29. Juni 2024 fand in der Riedwiesensiedlung in Kassel-Kirchditmold eine bewegende Zeremonie statt: die Verlegung von fünf Stolpersteinen für die Familie Katzenstein, die während der Zeit des Nationalsozialismus Opfer schrecklicher Angriffe und Verfolgungen wurde.
An der Veranstaltung, die von der Geschichtswerkstatt unter der Leitung von Frau Jakubowsky, Frau van Ophuysen, Herrn Mallm und Frau Bodenstein in die Wege geleitet wurde, nahmen zahlreiche Schüler, Lehrer, Bewohner der Siedlung sowie der Kasseler Oberbürgermeister, Dr. Sven Schoeller, teil. Insgesamt waren etwa 150 Personen anwesend. Nach fast zwei Jahren Recherchearbeit mit Besuchen im Stadtarchiv, im ehemaligen Wohnhaus der Familie Katzenstein und im Sara-Nussbaum-Zentrum sowie Kontakten von Australien über Israel und San Francisco bis hin nach Phoenix, Arizona, erreichte unsere Reise ihren Höhepunkt.
Stolpersteine, eine Initiative des Künstlers Gunter Demnig, sind kleine, in den Boden eingelassene Gedenktafeln, die vor den letzten Wohnorten von NS-Opfern verlegt werden. Jeder Stolperstein trägt den Namen, das Geburtsdatum und das Schicksal des Opfers. Diese Steine sollen zu einer Verneigung vor den Opfern, zum Innehalten und Nachdenken anregen.
Die Vorbereitungen für die Verlegung begannen bereits Monate im Voraus. Wir haben intensiv recherchiert, um die Geschichte der fünfköpfigen Familie Katzenstein zu dokumentieren. Dabei stießen wir auf berührende Details: Verzweifelt suchte Lore Katzenstein ihren Vater bei -62°C in Sibirien, wo sie den ehemals angesehenen Arzt schließlich heruntergekommen als Kuhhirten wiederfand. Dieses und weitere erschreckende Erlebnisse bewegten uns dazu, der Familiengeschichte nachzugehen.
Dann war es endlich so weit: Asli Ogur, Shirin Fraij, Jonas-Maximilian Heidrich und Hannah Webel erzählten die Fluchtgeschichte, die bis in die ehemalige Sowjetunion reichte, und verdeutlichten so, wie wichtig Erinnerungskultur auch heute noch ist. Die Stolpersteine wurden offiziell eingeweiht, indem deren Aufschriften vorgelesen wurden. Der Moment war von großer Stille und Nachdenklichkeit geprägt.
Auch zwei Nachfahren waren anwesend: Yoram Ehrlich aus Saarbrücken und Kenneth Vogel, der aus den USA angereist war. Berührt von der Zeremonie tauschten sie sich in vielen Gesprächen aus. Dass somit beide an diesem Tag einen neuen und bislang unbekannten Familienangehörigen und Freund gefunden haben, hat auch uns sehr bewegt.
Die Veranstaltung endete mit einem gemeinsamen Beisammensein im Garten der Familie Brandenstein, den heutigen Bewohnern des Hauses. Auch für Kaffee und Kuchen war gesorgt. Während eines regen Austauschs bekamen wir als Geschichtswerkstatt viel Anerkennung und wichtige Rückmeldungen.
Die Verlegung der Stolpersteine war nicht nur eine Gedenkfeier, sondern auch eine lebendige Geschichtsstunde. Sie hat uns allen gezeigt, wie wichtig es ist, die Vergangenheit nicht zu vergessen und sich aktiv damit zu befassen, sodass solche Verbrechen nie wieder geschehen.
Für unsere Schule war dieser Tag ein bedeutsames Ereignis, das uns alle tief bewegt hat. Er hat uns daran erinnert, dass hinter jeder Zahl und jedem historischen Fakt Menschen und Geschichten stehen, die es zu würdigen gilt. Die Stolpersteine sind kleine, aber kraftvolle Mahnmale, die uns immer wieder daran erinnern, wachsam und menschlich zu bleiben.
(von Hannah Webel, Geschichtswerksatt des Friedrichsgymnasiums; Fotos: Anitha Varatharasan)